Horb am Neckar - katholische Stiftskirche Heilig Kreuz

Orgel-Neubau 2016: Trefz-Orgelbau

Sachverständiger: 

   Karl Echle, Freudenstadt

Disposition


1387 bis 1806 Chorherrenstift, 1728/55 barocker Wiederaufbau. Der älteste Kirchenbau auf dem höchsten Punkt der Horber Altstadt geht wohl auf die Mitte des 13. Jahrhunderts zurück. Zu dieser Zeit war die Kirche allerdings Filial der Pfarrkirche zu Ihlingen. Erst mit der Gründung des Chorherrenstiftes durch Graf Rudolf III. von Hohenberg kehrte sich 1387 das Filialverhältnis auch nominell um. Die gotische Stiftskirche wurde im 14. und 15. Jahrhundert baulich erweitert und brannte 1725 beim großen Stadtbrand vollständig aus. 1728/55 erfolgte der Wiederaufbau von Langhaus und Turm im Stile des Barock. 1806 hob der König von Württemberg das Horber Chorherrenstift auf, dessen beeindruckender Kirchenschatz sich zum größten Teil erhalten hat. Mit der Horber Madonna ist im sogenannten Frauenchörle wohl das bedeutendste Kunstwerk der Neckarstadt zu sehen.

 

Einer der besonderen Höhepunkte im  Kirchenjahr 2016 war sicherlich die Wiedereröffnung der Stiftskirche bei gleichzeitig feierlichen Orgelweihe. Zweieinhalb Jahre dauerte die Restauration der Orgel. Das Kirchengebäude selbst, das die markante Stadtsilhouette von Horb krönt und auch im Stadtlogo zu sehen ist, wurde umfassend am Westgiebel, am gesamten Dachstuhl und am Turm saniert.

 


Informationen zur Orgel:

Restauration/Orgel-Neubau: Orgelbau Tilman Trefz 2016




Die Heilig-Kreuz-Kirche wird 1282 erstmals urkundlich erwähnt. Graf Rudolf III. von Hohenberg in Rottenburg erhebt sie durch Gründung eines Chorherrenstiftes 1387 zur Pfarrkirche von Horb. Der Stiftungsbrief gibt mit klaren Anweisungen für den Gesang der Chorherren einen Einblick in die kirchenmusikalischen Gepflogenheiten der Zeit. 1502 wird eine Organistenpfründe geschaffen, so daß spätestens um diese Zeit eine Orgel vorhanden sein muß. In der Folgezeit sind eine Reihe von namhaften Organisten angestellt. Einer von ihnen ist Leonhard Kleber, Schüler von Arnolt Schlick und Paul Hofhaimer.

1712 zerstört nach zweistündigem Platzregen eindringendes Wasser das Orgelwerk der Stiftskirche. Hans Jakob Rueff aus Rottenburg ist mit der Wiederherstellung 5 Tage beschäftigt. Orgelwerk und Positiv sind zu dieser Zeit im Chorraum aufgestellt. 1725 fällt die Kirche samt Orgel einem großen Stadtbrand zum Opfer.

Beim Wiederaufbau der Kirche wird erstmals die Westempore erstellt. Wer dabei die Orgel baut, ist bis heute unbekannt geblieben. 1748 erhält der Rottenburger Orgelmacher Hieronymus Spiegel den Auftrag, eine „Orgel samt Rückpositiv" mit 23 Registern aus der Rottweiler Pfarrkirche nach Horb zu versetzen, was er 1750 durchfuhrt. (Dieses Instrument hatte 1722 Johann Christoph Albrecht aus Waldshut für Rottweil erbaut.) 1782 überholt Orgelmacher Sebastian Knauf das Werk und erbittet für seine gute Arbeit ein „Douceur, da er die Pedalorgel gut hergestellt und die gegenüberliegende Orgel (im Chor) gestimmt hat".

Der heute noch erhaltene Orgelprospekt stammt jedoch von einem Werk, das in der Reichsabtei Rottenmünster stand und 1732 erbaut wurde. Bei der Aufhebung des Klosters (1802) kommt der Besitz an Württemberg und wird nach und nach verkauft. Zu welcher Zeit die Orgel aus Rottenmünster nach Horb kommt, ist bis heute ungeklärt, da die Horber Protokolle zwischen 1806 und 1819 eine Lücke aufweisen. 1827 repariert der Orgelmacher Engelfried aus Mühringen die große Orgel auf der Westempore und zehn Jahre später auch die Chororgel.

1851 untersucht Orgelbauer Walcker (Ludwigsburg) das vorhandene Werk. Er stellt fest, daß sich die Orgel in einem sehr bedauerlichen Zustand befinde und der Tonumfang (Manuale 48 und Pedal nur 16 Tasten) allzu beschränkt sei. Seiner Meinung nach könne nur noch das Gehäuse wieder verwendet werden, welches neueren Datums sei als der übrige Einbau der Orgel. Damit unterstreicht er die Vermutung, daß nach 1800 nur das Gehäuse von Rottenmünster um die alte Orgel von Rottweil gestellt wurde.

Das 1852 neu erbaute Instrument hat Walcker mit den von ihm entwickelten mechanischen Kegelladen ausgestattet und als weitere Neuheit ein schwellbares Werk eingerichtet. Die 31 Register zählende Disposition basiert auf Prinzipal 16' und weist viele Grundstimmen in 8'und 4'-Lage auf. Das alte Gehäuse bleibt erhalten. Das stattliche Werk wird 1887 von Walcker noch einmal überholt und 1903 bekommt es erstmals ein elektrisches Magazingebläse. Firma Späth (Ennetach) erweitert 1913 die Orgel auf 38 Register und stellt die Windladen auf pneumatische Steuerung um. Wegen der Erweiterung auf drei Manuale ist nun ein neuer Spieltisch nötig. 1958 wird wiederum durch Fa. Späth der Einbau mechanischer Schleifladen durchgeführt, das alte Pfeifenmaterial wird mit Veränderungen und Ergänzungen weitgehend übernommen. Das Rückpositiv, das seit 1852 stumm ist, erhält nun wieder eine klangliche Funktion. Die veränderte Disposition erstellen Dr. Hans Böhringer (Stuttgart) und Karl Löffler (Rottenburg). 

 

Auf diesem Instrument ist Orgelmusik der Barockzeit hervorragend interpretierbar. Neben älterer Musik kann aber auch nahezu die ganze deutschromantische Literatur vor Reger kompromisslos gespielt werden. Mendelssohns farbige Sonaten mit markanten Registrierungen der Ecksätze lassen sich ebenso stimmig darstellen wie z.B. Brahms empfindsame Choralvorspiele. Mit differenzierten Grundstimmen und satten Plenumsfarben steht dem Spieler ein Farbspektrum zur Auswahl, das zum abwechslungsreichen Orchestrieren der Musik einlädt, wie sie z.B. Schumann und Liszt für die Orgel des 19. Jahrhunderts komponiert haben.

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