Holzgerlingen

Mauritius-Kirche

 

Namensgebung

{Mauritiuskirche}St. Mauritius oder auch St. Moritz, St. Maurice, ein “Mohr” aus Mauretanien (ungefähr das heutige Marokko) war Anführer der Thebaeischen Legion, einer nur aus Christen bestehenden römischen Abteilung. Als er mit dieser im Jahr 303 an einer Christenverfolgung teilnehmen sollte, verweigerte er den Gehorsam; seine Abteilung wurde vor Ort niedergemacht, und er selbst enthauptet. Das geschah in Agaumnum, dem heutigen St. Maurice an der Rhône im schweizer Kanton Wallis, nahe dem Großen St. Bernhard. Im Jahr 380 entstand dort eine Tebaeerkirche, 515 das Kloster St. Maurice d'Aguane, und die Verehrung von St. Mauritius breitete sich aus. Unter Otto I. (Otto der Große) war der Hl. Mauritius gewissermaßen der Reichspatron.

Wie die Verehrung dieses Heiligen nach Holzgerlingen kam, ist nicht gesichert. Spekuliert wird, dass Otto I. 965 nach seiner Kaiserkrönung in Rom bei der Rückkehr durch Schwaben (in Heimsheim erwarteten ihn seine Söhne) auch in Holzgerlingen halt gemacht haben könnte, und dass daher die Namensgebung stammen könnte für die möglicherweise damals schon bestehende Holzkirche oder -kapelle.

Urkunden

900 Jahre umfasst die Geschichte der Evangelischen Mauritius-Kirche. In der Schenkungsurkunde Heinrich II vom Jahre 1007 ist der Ort Holzgerlingen mit Zubehör, also Dörfer, Gehöfte und Kirchen erwähnt. Weil es sich um eine formale Urkunde handelt, ist dies noch kein schlüssiger Beweis, dass eine Kirche vorhanden war. Die Entstehungszeit dieser monumentalen mittelalterlichen Dorfkirche mit spätgotischem Chor und romanischem Turm mit Wehrcharakter lässt sich bis heute noch nicht genau datieren. Der erste urkundliche Nachweis über das Vorhandensein einer Kirche in Holzgerlingen findet sich in einem Steuerregister aus dem Jahre 1274. Darin sind alle Orte des damaligen Dekanatsbezirks Schönaich genannt. Sie wurden aufgrund ihrer Einkünfte verpflichtet 6 Jahre lang den Zehnten Teil dem Bischof in Konstanz abzuliefern. Damit wurde einer auf einer Synode in Lyon beschlossener Kreuzgang finanziert.

Bau

Der Turm hat eine Höhe von 43 m. Er hat einen wehrhaften Charakter und eine für der Romanik charakteristische Bauweise: die dicken Mauern, die schiessschartenartigen Fensterschlitze, der einstige Fluchtzugang im zweiten Obergeschoss an der Ostseite des Turms und die kreuzgewölbte Kapelle im Erdgeschoss. Trotzdem stammt er - wie auch die anderen Teile des heutigen Kirchengebäudes - aus dem 15. Jahrhundert. Das haben neueste Untersuchungen des Holzes ergeben, wie die Archäologin Frau Prof. Dr. Barbara Scholkmann am 2. Februar 2007 in der Stadthalle erläuterte.

{Innenansicht}Das Kirchenschiff an der Ostseite des Turmes hat Spitzbogenfenster in den Wänden der Nord- und Südseite sowie spitzbogige Eingangsportale. Der Chor und die Sakristei sind in spätgotischen Stil erbaut. Dies geschah während der Regierungszeit der Erzherzogin Methild, der Mutter von Graf Eberhard, die ihren Wiwensitz in Böblingen hatte. Sie starb 1482.

Das Totenhäusle oder “Beinerhäusle” an der Südseite des Turms ist eine Stiftung eines Ulrich Binder und wurde nach dessen Tod 1481 errichtet. Das Obergeschoss in Fachwerk stammt aus jüngerer Zeit.

Mit Einführung der Reformation wurde die Wortverkündigung wichtiger. Daher wurde eine Kanzel nachgerüstet; die gedrehte Säule trägt die Jahreszahl 1600. Eine vordere Emporenstütze zeigt die Jahreszahl 1677. Die Tafelbilder an der Emporenbrüstung stellen Szenen dar aus der Bibel von Adam und Eva bis zur Auferstehung Christi dar. Sie entstanden zwischen 1714 und 1727. Seit der Renovierung 1926 stimmen die Stifternamen darunter nicht mehr mit den Bildern überein.

Unwetter

“Am 20. Juni 1762 entstand ein schweres Ungewitter am Sonntag unter der Morgenpredigt.” Ein Blitz schlugt den Hahn vom Turm, Ziegel wurden abgedeckt und Latten, Sparren und Säulen beschädigt. Der Schaden betrug mehr als 400 Gulden. Kaum war der Turm renoviert, wurde am 1. September 1768 der Kirchturm erneut vom Blitz getroffen und in Brand gesteckt. Die Glocken schmolzen. Der Schaden war beträchtlich größer als 1762. Auch in den Nachbargemeinden wurde Geld gesammelt zur Wiederherstellung. Altdorf steuerte 40 Gulden bei. Der Turm wurde 6m niedriger gebaut.

Am 17. Januar 1794 wurde durch einen heftigen Sturm das Kreuz samt Hahn abgeworfen. Das 160 Pfund schwere Kreuz wurde durch ein leichteres ersetzt. Am 1. Juli 1880 traf erneut ein Blitzstrahl den Turm. Spitze und Hahn mussten erneuert werden, und ein Blitzableiter wurde angebracht. Im Jahr 1911 wurde die Sakristei durch ein Erdbeben beschädigt und für 250 RM neu fundiert.

Renovierung

1913 wurde der Hahn repariert, und 1914 wurden zwei alte Glocken durch zwei neue ersetzt, dank der Spenden von Frau Fabrikant Julie Binder und Frau Pfarrer Dinkelacker.

1926 wurde eine große Kirchenrenovierung vorgenommen. Die Orgel wurde aus dem Chorraum – den sie mit ihrer Empore in Fensterhöhe sehr verdunkelt hatte – auf die Empore vor die Turmwand versetzt. An der Nordseite des Turmes wurden ein Zugang und eine Stiege geschaffen, über die man in der Höhe des 2. Turmgeschosses auf die damals neue Orgelempore und ein Stück höher auf die erste Bühne gelangt. Dort führt eine Staffel auf die zweite Bühne und zum Turmzugang. Der alte Kanzelkorb mit Schalldeckel wurde ersetzt. 1938 wurden drei bunte Glasfenster, geschaffen vom Kunstmaler Kohler in Degerloch, im Chorraum eingesetzt. Sie zeigen Bilder aus der Heilsgeschichte.

Erst 1962 erhielt die Orgel ihren heutigen Platz and der Südseite auf der Empore. Die letzte Außenrenovierung der Kirche erfolgte im Jahre 1989. Die Farben wurden dem Zustand des 17. Jahrhunderts angepasst. Eine Innenrenovierung wurde in den Jahren 1996/97 durchgeführt. Eine Übertragungsanlage des Gottesdienstes für Eltern mit Kleinkindern wurde oben im Beinerhäusle eingerichtet, und unten ein Toilette für Kirchenbesucher. Die Mauritiuskirche ist nun wieder ein wahres Schmuckstück in Holzgerlingen.

 

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